Wie ich über 15 Jahre lang rauchte und dann leichter als erwartet aufhören konnte

Sagt dir der Begriff Risikofaktor etwas? Das war 20 Jahre lang mein wohl größter Selbstbetrug. Schließlich bedeutet er ja, dass ich möglicherweise durchs Rauchen krank werde. Aber halt nicht mit hundertprozentiger Sicherheit. Jetzt rauche ich nicht mehr und die Risikofaktoren sind mir egal, denn ich fühlte mich schon nach zwei Tagen gesünder.

Warum ich fast 20 Jahre lang rauchte

Die wohl einzig richtige Antwort dürfte lauten: „weil ich süchtig war“. Zu dem guten Geschmack von Zigaretten komme ich sicherlich später noch einmal.

Glühende Zigarrette
Glühende Zigarrette

Das Aufhören

Schon einige Wochen vor meiner letzten Zigarette störte mich das Rauchen immer mehr. Zu teuer, zu starker Husten, zu schlechter Geschmack der Zigaretten, zu wenig Befriedigung, wenn die Zigarette aufgeraucht ist… Es wuchs also langsam der Gedanke mit dem Rauchen aufzuhören. Und eines Abends war es dann soweit. Es sollte die letzte Zigarette vor dem Schlafengehen werden. Die letzte Zigarette aus der Packung war es aber auch. Und ich dachte die ganze Zeit nach, ob ich nun jetzt noch zum Zigarettenautomaten gehen sollte oder doch erst morgen früh.
Man mache sich bitte einmal meine Enttäuschung klar: Da wollte ich entspannt und gemütlich die letzte Zigarette am Abend rauchen. Und alles, woran ich denke konnte, war die Tatsache, dass ich mir noch Nachschub besorgen musste. Nichts mit Entspannung, genüsslichem Ausklang des Tages – pure Sucht. Ich hasste die Zigaretten auf einmal. Es kratzte so verdammt unangenehm an meinem Selbstbild. Denn wer will schon gerne zugeben, dass er süchtig, abhängig vom Rauchen, vom Nikotin ist.
Am nächsten Morgen war es dann soweit. Ich war immer noch fest entschlossen und ich hatte keinen Stoff direkt griffbereit. Ideale Voraussetzungen, dachte ich mir also. Zuerst wollte ich einmal alle Rauchutensilien wie Feuerzeuge, Streichhölzer, Aschenbecher wegwerfen und natürlich eine Nichtrauchen-App installieren. Die App empfand ich zuerst nicht als wirklich zwingend, aber schließlich könnte ich sie bei Nichtverwendung auch wieder löschen.
Das Einsammeln von Feuerzeugen und Streichhölzern war schon aufwendiger. Es waren sicherlich fünf Feuerzeuge und 3 Packungen Streichhölzer, die ich irgendwo in der Wohnung deponiert hatte. In meiner Tasche -einer Umhängetasche, die ich wie eine Männer-Handtasche fast überall hin mitnehme- fand ich dann doch eine Schachtel Zigaretten. Ich hatte mir also in weiser Voraussicht schon „Stoff“ besorgt für das Wochenende.
Ich entschied mich, eine letzte Zigarette zu rauchen. Quasi als Abschiedsritual und vielleicht wollte ich dem Nikotin noch einmal die Chance geben, mich von sich zu überzeugen. Wie es wohl jede Raucherin und jeder Raucher kennt, ist die erste Zigarette am Morgen sowohl die beste als auch die grauslichste. Die Beste ist sie, weil der Körper sich nach dem langen nächtlichen Entzug wieder nach dem Nikotin sehnt; die Grauslichste ist die erste Zigarette, weil die Lunge wohl hoffte, sich noch etwas weiter vom Qualm erholen zu können. Sie schmeckte mir überhaupt nicht. Das Nikotin überzeugte nicht. Ich sah die hübsche, rote Glut; wie früher. Doch diesmal sah ich auch den Qualm, spürte den brennenden Rauch in der Lunge und sah die ekelhafte Asche. Ich konnte sie gar nicht komplett aufrauchen. Bereits nach der Hälfte war ich ausreichend bestärkt, mit dem Rauchen aufzuhören.
Was machte ich nun mit der quasi vollen Packung? Sollte ich sie aufbewahren, falls ich doch wieder anfangen wollte? Weiterverschenken? Es kostete mich einen Moment, um zu wissen, was ich mit meiner letzten Schachtel Zigaretten machen wollte: Ich nahm jede Zigarette einzeln hinaus und zerkrümelte sie über dem Mülleimer. Und sagte mir dabei laut, dass ich nun nicht mehr rauche. Das mag vielleicht komisch ausgesehen haben, aber als Sozialpädagoge finde ich solche Rituale natürlich sehr sinnvoll.

Der Schmacht

Das Verlangen nach Zigaretten war anfangs da. Aber es war nicht wirklich stark, mein Entschluss war doch gefestigt. Ich wollte noch etwas sozialen Druck aufbauen, also postete ich meinen Entschluss auch bei Facebook. Dort bekam ich noch den Tipp, mir „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr zu besorgen. Ich kaufte mir das Hörbuch und hörte es den ganzen Tag hindurch an. Es ist ein etwas komisches Buch, quasi ein Gehirnwäsche zum Nichtraucher. Das ist für mich okay, es veränderte und verstärkte meine Perspektive etwas, es lieferte mir gute Argumente und es gibt bestärkende Tipps. Die brauchte ich in den folgenden Tagen eher.

Viel ungewohnter waren natürlich „die üblichen“ Rauchersituationen. Diese Situationen, in denen ich mir früher immer eine anzündete. Auf dem Balkon, im Auto, nach dem Essen… Wenn andere Raucher anwesend sind, hilft es mir, diese genauer zu beobachten. Wie man mit einer Zigarette so schwankt zwischen vermeintlichem Genuss und dem Suchtbedürfnis, denn von Genuss sieht man meistens nicht viel. In anderen Situationen hilft die App. Ich benutze Rauchfrei Pro, aber wahrscheinlich funktioniert jede andere App ebenso gut. Sie zeigt mir, wie viel Geld ich bereits eingespart habe. Und welche gesundheitlichen Schäden ich nun vermeide. Und wovon sich mein Körper bereits wieder erholen konnte. Anders als die Gesundheitshinweise auf den Zigarettenpackungen lese ich diese nun. Als Raucher habe ich sie wahrgenommen. Oder wenn, dann auf den Schreck erstmal eine geraucht…

Mittlerweile

Mir hilft aktuell immer noch das Wissen, dass einerseits die erste Zigarette mir nicht schmecken wird. Und andererseits es nicht die „nur eine Zigarette“ nicht gibt.
Den Raucherinnen und Rauchern kann ich sagen, dass man sich ohne Rauchen wirklich besser fühlt. Und das Zigaretten nicht schmecken. Wirklich nicht.